Kleine Inseln, großes Naturschauspiel - Mein Urlaub auf den Azoren

von Kati Tiringer

Mein erster Urlaub des Jahres liegt jetzt genau einen Monat zurück und es ist an der Zeit, meine Erlebnisse endlich mit euch zu teilen: In meinem Urlaubsrückblick nehme ich euch heute mit auf die Azoren und erzähle von meinen schönsten Erinnerungen an die Insel São Miguel mitten im Atlantik.


Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll wirft sich das Meer gegen den schwarzen Fels. Der Grund unter meinen Füßen bebt und reckt seine raue Kante der nächsten Welle entgegen. Dem heißen Wasserstrahl, der hier aus dem Berg kommt, hat er bereits Platz gemacht: Unter aufsteigendem, übel riechenden Dampf schießt er der gewaltigen Wasserkraft des Atlantiks entgegen, tanzt in der Brandung und wird eins mit dem Meer.

Während dieses Spiel der Naturgewalten unaufhaltsam weiter geht, färbt die untergehende Sonne den Himmel in allen Farben. Ich sitze inmitten dieser Extreme und weiß nicht, wohin ich meinen Blick richten soll. Sekündlich verändern sich die Umgebung, die Farben und Formen des Meeres, des Himmels und der Küste aus Lavagestein und es grenzt an ein Wunder, dass nicht jeden Moment alles in sich zusammenbricht. Hier zu sein, auf dieser Insel mitten im Nirgendwo, grenzt an ein Wunder.

São Miguel ist die größte der neun Azoren-Inseln und befindet sich mitten im Atlantik, je vier Flugstunden von Frankfurt und Boston entfernt. 140.000 Portugiesen sind hier auf 60 mal 16 Kilometern zu Hause und stolz auf ihr abgeschiedenes, kleines Paradies: „Wir erleben vier Jahreszeiten an nur einem Tag, das ganze Jahr!“ Überhaupt scheint hier nichts lange Bestand zu haben: Nicht nur das Wetter verändert sich alle fünf Minuten, auch die Landschaft bei der Fahrt über die Insel. Von der rauen Küste geht es durch den Dschungel mit meterhohen Farnen, vorbei an Wasserfällen und Schwefelquellen, über saftig grüne Wiesen, auf denen sich schwarz-weiße Kühe das Gras schmecken lassen, die Steilküste hinunter bis zum nächsten Hafen, in dem das Meer plötzlich ganz ruhig dahinplätschert.


Urlaub auf den Azoren: Hinkommen und rumkommen

Auf die Idee, die Azoren zu besuchen, brachte uns ein sehr günstiges Flugangebot. Erst nachdem wir für 100 Euro Hin- und Rückflug gebucht hatten, googelte ich, wo sich die Inselgruppe überhaupt befindet. An einem Samstag im Mai flogen wir von Frankfurt Hahn nach Ponta Delgada, der Hauptstadt São Miguels. Von hier gings mit dem Taxi zur ersten Unterkunft, einem kleinen Apartment in der Stadt.

Die darauffolgenden zwei Wochen erkundeten wir mit einem Mietauto die Insel, denn obwohl die Infrastruktur auf der Insel prinzipiell gut ist – es gibt Linienbusse, die zum Flughafen und von Ort zu Ort über die ganze Insel fahren – ist ein Mietauto die einzige Option für alle, die São Miguel in Eigeninitiative entdecken möchten. Anbieter gibt es zuhauf am Flughafen von Ponta Delgada. Am besten schon vor der Reise reservieren.

Die anderen acht Inseln der Azoren sind das ganze Jahr per Flugzeug von Ponta Delgada zu erreichen. Außerdem fahren in der Hauptsaison von Mitte Juni bis Ende August zusätzlich Autofähren. Weil wir aber schon Anfang Mai auf São Miguel waren, entschieden wir, die gesamten zwei Wochen auf nur einer Insel zu verbringen.


Ab ins Grüne: Faial de Terra & der Osten São Miguels

Den Urlaub auf São Miguel verbrachte ich mit Freunden aus den verschiedensten Ecken Deutschlands, alle Stadtkinder wie ich. Wir sehnten uns nach Entspannung und Natur und so verschlug es uns gleich zu Anfang unseres Urlaubs in eine sehr ruhige Ecke der Insel: ins Örtchen Faial de Terra im Südosten.

Mit dem alten Steinhaus von Paulo hatten wir am Rand des Örtchens eine wunderbare Unterkunft gefunden, um in Ruhe anzukommen – und zur Ruhe zu kommen. Mit Spaziergängen am Fluss entlang zum schwarzen Strand und Wanderungen den Berg hinauf, in den Dschungel zum Wasserfall, stimmten wir uns hier fünf Tage lang auf die Insel ein. Wir standen mit Sonnenschein und Meerblick auf, flüchteten uns bei plötzlichen Regenschauern in die gemütliche Hütte, genossen die Ruhe in den Hängematten, kochten in der Outdoor-Küche und tranken viel leckeren Azoren-Wein zum selbstgegrillten Fisch.




Von unserem Domizil in Faial de Terra erkundeten wir den östlichen Teil der Insel: Mit dem Mietauto machten wir Ausflüge nach Nordeste, dem wohl rauesten Küstenteil der Insel und nach Furnas im Inneren der Insel. Hier trafen wir zum ersten Mal auch andere Touristen: beim Spaziergang durch den großen botanischen Garten Parque Terra Nostra, beim Kauf des leckeren Brotes Bolo levedo, für das das Mehl hier gemahlen wird, und beim Mondscheinbad im 39°C warmen Wasser der Thermalbäder Poca da Dona Beija – ein unvergessliches Erlebnis!






Zurück in die Zivilisation: Lagoa und der Süden

Den zweiten Halt machten wir in Lagoa, einer größeren Ortschaft im Süden der Insel. Im Internet hatten wir ein Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert gefunden und lebten hier fünf Tage in diesem geschichtsträchtigen Domizil. Im Ort lernten wir Einheimische und Auswanderer kennen, die uns noch mehr von der Geschichte der Azoren erzählten, uns bekochten und mit dem Schlauchboot die Südküste zeigten.

In Lagoa selbst aßen wir hervorragenden Fisch im Restaurante Borda D'Aqua und kauften Souvenirs in der Ceramica Vieira, der einzigen Keramikfabrik der Azoren, in der auch die typisch portugiesischen Fliesen noch von Hand bemalt werden. Von Lagoa lohnt sich ein Ausflug nach Osten, ins Örtchen Caloura, wo die Reichen und Schönen wohnen, oder noch ein Stückchen weiter nach Vila Franca do Campo. Hier ragt die Insel Ilheu da Vila wie ein großer Felsen steil aus dem Meer; ein beeindruckende Erscheinung, die mit dem Boot aus der Nähe besichtigt werden kann. In Vila Franca do Campo wurde uns auch ein Unternehmen fürs Whale Watching empfohlen – eine vierstündige Bootstour, auf der man Delphine und mit etwas Glück auch Wale sehen kann. Uns hat ein Tag auf dem Meer gereicht und so haben wir schließlich auf diese Erfahrung verzichtet.




Letzter Stopp Achada: Die Nordküste São Miguels

Die letzten drei Tage ließen wir in einem wunderschönen Haus mit Rundum-Meerblick in Achada, im Norden der Insel, ausklingen. Hier mussten wir uns zunächst wieder an die Ruhe und ein ganz anderes Klima gewöhnen: Denn obwohl die Südseite São Miguels nur 16 Kilometer entfernt liegt, weht hier ein ganz anderer Wind. Für die beeindruckenden Sonnenauf- und Untergänge lohnt es sich aber allemal, den Parka wieder auszupacken.

Im Norden der Insel befinden sich zwei Teeplantagen, die besichtigt werden können. Die Azoreaner machen neben Grün- und Schwarztee auch fast alles andere, was auf den Tisch kommt, selbst. Auf der Insel wachsen Süßkartoffeln, Bananen und die süßesten Orangen, die ich je gegessen habe. Eine Spezialität ist auch die Azoren-Ananas und das Fleisch der eigenen Rinder. Beim Essen im Restaurante Tronqueira in Nordeste blieb ich aber wie fast immer lieber beim Fisch, den es hier, mitten im Meer, natürlich auch überall gibt.




Zwischen Himmel und Erde: Vulkanlandschaften auf São Miguel

Am meisten beeindruckt hat mich auf São Miguel die unglaublich Vielfalt der Natur. Die Vulkanberge und -seen prägen die Landschaft der Insel, Wasserfälle, Schwefelquellen und Steilküsten sind Naturphänomene, die hier auf kleinstem Raum zusammenkommen und sich täglich ein wenig verändern. Besonders verzaubert haben mich die Spaziergänge mehr als 200 Meter über dem Meeresspiegel, an den Vulkanseen Lagoa do Fogo (im benachbarten Caldeira Velha kann man danach im Thermalbad mitten im Dschungel entspannen) und Lagoa Azul.

Hier spürt man den ständigen Wandel der Inseln besonders gut. Überall findet Veränderung statt: Wo heute noch ein Sandstrand war, machen große Felsen morgen die Küste unbegehbar und die vielen verlassenen Steinhäuser werden Tag für Tag von der Natur zurückerobert. Diese omnipräsente Vergänglichkeit - vielleicht ist es auch der allgegenwärtige Neubeginn - legen einen zusätzlichen Zauber über die Insel, den man nicht nur der Natur, sondern auch den Azoreanern anmerkt. Sie schätzen jeden Tag auf ihre besondere Weise, haben einen ganz anderen, viel achtsameren Bezug zu ihrer Umwelt und sind dabei doch so unglaublich gelassen.







Hier und da wird gemunkelt, dass die Azoren immer mehr Zulauf bekommen und schon bald zu den beliebtesten Reisezielen gehören werden. Noch sind sie fast frei von Touristenströmen und die Natur an vielen Stellen noch ganz sich selbst überlassen. Ich kann nur empfehlen: Fliegt hin und erlebt dieses wunderbare, unvergesslich schöne Fleckchen Erde!


Meine Tipps für São Miguel in der Übersicht

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