„Ein Hang zum Maximalismus ist uns nicht abzusprechen.“ – Zu Besuch bei HerrKLAR in Berlin

von Sebastian

„Ich denke manchmal, man könnte unsere Möbel auch auf 200 qm ausbreiten und es sähe nicht leer aus“, sagt Mike (39) aka @HerrKLAR über seine eklektisch eingerichtete Altbauwohnung in Berlin-Kreuzberg. Hier lebt er gemeinsam mit seinem Freund Kevin, dem Straßenkater Caruso und der Sibirischen Waldkatze Olga auf 96 qm. Farben und italienisches Design werden hier zelebriert, das Arrangement von Kunst, Kontrasten und Einzelstücken wird zum täglichen Fest.

Ein Gespräch über Ironie im Interior, das gekonnte Spiel mit Farben und Formen sowie die Frage, welche Einrichtungsgegenstände sich noch auf der Wunschliste eines Sammlers des Besonderen befinden.

Die Wohnung hat drei Zimmer, eine Wohnküche sowie ein innen liegendes Bad. Neben dem großen Wohn- und Esszimmer sowie dem Schlafzimmer gibt es noch ein Arbeitszimmer, das Mike hauptsächlich als Atelier nutzt.

Lieber Mike, was liebst du an deinem Zuhause besonders?

Dass es eine so andere Welt ist, sobald man die Wohnung betritt. Jedes Zimmer hat eine andere Grundstimmung – vor allem durch die Farbwahl. Außerdem ist es toll, mit so vielen Pflanzen zu wohnen. Funfact: Kevin ist ein Planthorder. Von Beruf ist er Zierpflanzengärtner.

Sich selbst beschreibt Mike als kreativ und ordentlich: „Ich habe die Dinge gerne an ihrem Platz. Außerdem bin ich ein absoluter Cat-Daddy.“

Und was machst du beruflich?

Ich arbeite Teilzeit als Kunsttherapeut in einer Klinik mit psychisch erkrankten Menschen – Schwerpunkt vor allem Depression und demenzielle Erkrankungen. Freiberuflich bin ich noch als Live-Zeichner und Illustrator tätig.

Im Arbeitszimmer und Atelier – der Bertoia Bird Chair von Knoll International mit Ottomane und gelbem Bezug gehört zu Mikes größten Glückskäufen: „Das war ein Schuss auf eBay.“ Die Illustration rechts ist von Mike selbst.

Wie lang wohnst du schon hier?

Schon seit 2010 – damals allerdings noch als 3er-WG. Als ich eingezogen bin, war die Wohnung in einem miserablen Zustand, aber ich habe schon damals ihr Potenzial erkannt: Sie ist sehr hell und hat einen guten Schnitt für zwei Personen. Irgendwann wurde ich Hauptmieter. Das war unser Glück, denn mittlerweile könnten wir so eine Wohnung mit unserem Budget gar nicht mehr finden. Vor vier Jahren zog dann mein Freund Kevin hier ein.

Über die Jahre haben Mike und Kevin die komplette Wohnung selbst renoviert. Da sie ein Altbau ist, fällt immer wieder mal etwas an.

Wooden Dolls

Was bedeutet es dir, nach Hause zu kommen?

Gerade für meinen stressigen klinischen Job bedeutet mir mein Zuhause sehr viel: als Ruhe- und Kraftort und als Ort, um meiner „Gestaltungswut“ und Kreativität Raum zu geben. Außerdem gibt es nichts Besseres, als mit den Katzen auf der Couch zu chillen.

Im großen Wohn- und Esszimmer wacht ein Kanu über dem Esstisch.

Was hat es eigentlich mit dem hängenden Kanu auf sich?

Das ist eine Leuchte. Die Idee kommt aus einem Interior-Geschäft aus unserer Straße. Allerdings war der Preis dort sehr hoch, also haben wir es selbst gemacht. Kevin hat das Boot bei eBay geschossen – wir mussten es dann allerdings aufbauen und feststellen, dass es doch zu lang war, um es quer über den Esstisch zu hängen. Jetzt hängt es eben so ... Theoretisch könnte man es mit einer Außenhaut sogar wieder benutzen.

Seinen Wohnstil bezeichnet Mike als farbenfroh, eklektisch und designaffin.

Für welches Design interessierst du dich besonders?

Vor geraumer Zeit haben wir angefangen, uns für moderne italienische Einflüsse zu interessieren und auch den Memphis-Stil der 80er-Jahre für uns zu entdecken.

Kevin sitzt auf dem Ekstrem von Varier, Mike steht dahinter.

„Theoretisch könnte man das Kanu mit einer Außenhaut sogar wieder benutzen.“

Mikes und Kevins Vorliebe für besondere Leuchten ist unverkennbar: (v. l. n. r.) Taccia von Castiglioni für Flos, Tahiti von Sottsass für Memphis Milano, Shogun von Botta für Artemide, Snoopy von Castiglioni für Flos und Pipistrello von Aulenti für Martinelli Luce.

Welche Muster gefallen dir besonders?

Wir sind zwar sehr bunt, aber viele Muster findet man hier nicht. Es sind vor allem Streifenmuster in Schwarz-Weiß, da sie die Farbigkeiten grafisch so schön kontrastieren.
Auch ein Hang zu Kontrasten, Ironie und Maximalismus ist uns nicht abzusprechen.

Bei Farben setzt du auf Komplementärkontraste ...

Bei Farben bin ich für vieles offen. Ich spiele gerne mit Komplementärkontrasten oder auch Tönen aus einer Farbfamilie in unterschiedlichen Intensitäten. Beispielsweise im Schlafzimmer an der Wand hinter dem Bett: Da treffen Rosa und Bordeaux aufeinander und werden mit rostroten Vorhängen kombiniert – das erzeugt Spannung, ohne auszusehen wie die Villa Kunterbunt.

Rosa trifft auf Bordeaux und Rostrot – das erzeugt Spannung. Die Deckenleuchte ist von Market Set.

Wie würdest du dein Verhältnis zu Farben beschreiben?

Ich denke, wir sind in einer guten Beziehung ;). Ich gehe beim Einrichten mit Farbe ähnlich vor wie in meiner künstlerischen Arbeit: Ich probiere verschiedene Stimmungen auf dem Papier aus und überlege dann, ob ich zum Beispiel ein rotes Kissen brauche, um das Gesamtbild zu brechen. Was könnte für den Raum spannend sein? Dabei bin ich eigentlich für fast alle Farben offen: Vor allem auch die „Nicht-Töne“ mag ich sehr, Farben die an sich erst mal fraglich wirken, aber in Kombination aufblühen.

Wenn wir Mike und Kevin besuchen kommen, würden sie Salzekuchen machen – eine Spezialität aus Mikes hessischer Heimat: „Das ist ähnlich wie Zwiebelkuchen – auf einen Schwarzbrotteig kommt eine Mischung aus zerstampften Kartoffeln, Zwiebeln, Quark, Ei, Kümmel und Speck. Dann wird es gebacken – super gut dazu passt ein hessischer Äppelwoi.“

Jeder Raum besticht dank eigener Farbwahl durch eine andere Stimmung. In der Farbigkeit und im Arrangement von Kunst und Objekt erkennt sich Mike auch am deutlichsten wieder.

Woher kommen dein Mut und deine Leidenschaft für außergewöhnliches Interior?

Na ja, „die Leber wächst mit ihren Aufgaben“. Ich glaube, die Leidenschaft zur Gestaltung rührt auch von meiner künstlerischen Ader her. Außerdem heizt uns die gegenseitige Dynamik an, uns immer wach umzuschauen und den Mut zu besitzen, mal Fehler zu begehen.

Was zum Beispiel war ein Fehlkauf?

Ein ziemlich bunter Teppich aus der IKEA Art Event Collection 2019 von der Künstlerin Misaki Kawai, der eine bunte Löwenfamilie zeigt. Wir dachten, es könnte zum Konzept passen. Er lag drei Tage im Schlafzimmer, dann haben wir ihn wieder umgetauscht.

Mike liebt Streifenmuster: die Shogun-Tischleuchte von Artemide auf dem Küchentisch und ein gestreifter Übertopf.

Hast du bei all deinen Schätzen eigentlich einen liebsten Einrichtungsgegenstand?

Eigentlich habe ich zu fast allen Dingen, die mich umgeben, einen persönlichen Bezug. Aber momentan ist es wohl meine Schreibtischleuchte: die Tahiti von Ettore Sottsass für Memphis Milano. Die wurde im gleichen Jahr designed wie ich – 1981.

Bei Materialien setzt Mike am liebsten auf Marmor, Tibetlammfell, Samt und Palisanderholz.

Welche drei Einrichtungsgegenstände würdest du aus deinem Zuhause retten, wenn es brennen würde?

Meine beiden Katzen, meine Bilder und die Tahiti-Leuchte.

Olga und Caruso

Ganz oben auf deinem Interior-Wunschzettel steht:

Die Stehleuchte Shogun Terra von Artemide – analog zur Shogun-Tischleuchte auf dem Küchentisch. Und der absolut irre Ultrafragola-Spiegel von Poltronova. Beides natürlich wieder italienische Klassiker.

Was fasziniert dich am italienischen Design?

Die grafische und organische Formensprache, ein Gespür für hochwertige und langlebige Materialien, Extravaganz und teils mutige Farbgebungen.

Wie sähe dein Traumzuhause aus?

Das wäre ein 60er- oder 70er-Jahre-Bungalow mit einem Garten – gerne mit Schwimmteich. Möbeltechnisch wäre dann gar nicht so vieles anders. Ich denke manchmal, man könnte unsere Möbel auch auf 200 qm ausbreiten und es sähe nicht leer aus. Ein weiterer Wunsch wäre dann allerdings eine komplett monochrome Küche ohne Griffe in einer exzentrischen Farbe.

Drei Dinge, die wir noch nicht über dich wissen:
  1. Ich hasse Sauerkraut.
  2. Ich liebe Radfahren.
  3. Ich bin so gar kein Fan von Laura Ashley.
Und hast du noch andere Leidenschaften neben dem Einrichten?

Zeichnen und malen. Eigentlich interessiere ich mich auch für Pflanzen. Besuche in botanischen Gärten mag ich sehr gerne.

Atelier und Arbeitszimmer

Wohin reist du gerne?

Früher bin ich sehr viel gereist. Ich habe mal sieben Monate lang eine Backpack-Tour durch Südostasien, Nepal und Indien gemacht. Mittlerweile mache ich gerne Radtouren im Umland, aber ich mag auch gerne Frankreich oder Portugal. Das meiste Geld fließt aber eher in Interior – ich geb’s zu!

Gibt es für dich einen besonderen SoLebIch-Moment?

Ich freue mich generell, dass ich doch viel Zuspruch durch andere SoLebIch-Mitglieder finde, obwohl ich eher etwas exzentrisch und wenig Skandi orientiert eingerichtet bin.
Außerdem war es ein Highlight, euch mal persönlich im SoLebIch-Apartment 2020 in Köln kennengelernt zu haben.

Lieber Mike, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!

Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @HerrKLAR hier folgen.

Zu allen Homestorys geht’s hier entlang.

Fotocredits: Kerstin Müller und Mike Klar

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