„Man muss sich schon reduzieren können und wollen.“ - Zu Besuch bei Miss_Yooli im Tiny House

von Sebastian

Wie viel Platz braucht man tatsächlich zum Leben? Dieser Frage geht eine aus den USA stammende Bewegung nach, die sich „Tiny House Movement“ nennt. Sie steht weniger für ein waghalsiges Projekt als für eine Lebenseinstellung, die das Wohnen auf kleinem Raum favorisiert. Immer mehr Menschen sehnen sich danach, überflüssigen Luxus abzuwerfen und auf kleinem Fuß nur mit dem Nötigsten in einem Minihaus zu leben.

Julia (31) aka @Miss_Yooli ist Besitzerin eines Waldhäuschens mit überdachter Veranda im Teutoburger Wald. Umgeben von Fichten, Kiefern und Tannen öffnet sich der Blick zu jeder Seite ins Grüne. Eichhörnchen, Hasen und Rehe sind hier Stammgäste. Obwohl Julia nicht permanent in ihrem Tiny House wohnt, bieten die knapp 45 qm im Grunde alles, was man zum Leben braucht.
Ein Gespräch über das optische Vergrößern, Tipps für die Gestaltung kleiner Räume und die Frage, ob ein Waldhäuschen tatsächlich zum Leben reichen würde.

Liebe Julia, bitte erzähl ein bisschen über dich.

Meine Heimat ist das Rheinland und seit zweieinhalb Jahren bin ich in Bielefeld, im Teutoburger Wald, zu Hause. Ich wohne gemeinsam mit meinem Freund nur ein paar Meter entfernt von meinem kleinen Waldhäuschen in einem 65 qm großen Bungalow. Ich arbeite als Marketing Managerin für einen ostwestfälischen Hersteller von Bildungsmöbeln.

Im Job und in ihrer Freizeit ist Julia gern kreativ; sie liebt Kunst, Design und schöne Dinge. Ansonsten reist sie für ihr Leben gern und ist so oft es nur geht in der Welt unterwegs.

Die Außenfassade wird derzeit noch erneuert. Das Haus wurde in Holzständerbauweise errichtet. Unter der Wohnfläche befindet sich ein Kriechkeller, der die Leitungen und die Elektrik beherbergt. Dieser befindet sich auf Waldbodenniveau und ist nicht extra ausgehoben. Damit ist die Wohnfläche inklusive der 11 qm großen Veranda ungefähr einen Meter erhöht gelegen.

Wie kamst du zu deinem kleinen Waldhäuschen?

Unsere damalige Nachbarin verkündete uns eines nachmittags, dass sie ihr Ferienhaus samt Grundstück in den kommenden Monaten verkaufen wolle. Ich nahm das damals einfach zur Kenntnis. Bis zu dem Moment, an dem ich spontan für einen Besichtigungstermin nebenan eingesprungen bin und alles fotografierte. Da wurde meine Fantasie direkt geweckt und ich hatte ziemlich schnell ein Bild davon im Kopf, wie es werden könnte.

Also hattest du dich dann spontan für den Kauf entschieden ...

Kurze Zeit später hatte ich dem Kauf des alten Ferienhäuschens inklusive 1.300 qm Waldgrundstück schon zugestimmt. Ich war also weder auf der Suche nach einem Haus, noch war das überhaupt jemals mein Plan, mich an einen Ort binden zu wollen ;-). Die Vorstellung von einem eigens gestalteten Rückzugsort, Atelier, Treffpunkt, Retreat oder Gästehaus hat mich dann aber einfach nicht mehr losgelassen.

Die Wohnfläche ist ein großer Raum, der das Ankommen, Wohnen, Schlafen und die Küche vereint. Das kleine Bad ist ein angeschlossener Raum, der direkt vom Eingang aus nach rechts abgeht.

In welchem Zustand war das Haus beim Kauf?

Die Grundkonstruktion und das Dach waren in einem guten Zustand. Das Häuschen war damals in verschiedene Räume unterteilt. Es war dunkel, es gab kleine Fenster mit Fensterläden, Paneele und alte Holzdielen. Auch eine Decke war eingezogen.

Was habt ihr alles neu gemacht?

Meine Vorstellung war ein offener, heller Raum, der dazu einlädt, den Wald und die Natur zu genießen. Ein Raum, der gemütlich und trotzdem modern ist, der alles bietet, was man zum Leben braucht – eben im Miniformat. Meine Wahl fiel auf große, bodentiefe Fenster, eine Panoramaschiebetür zur Veranda, Seekieferplatten als Deckenverkleidung, einen unempfindlichen, ruhigen Bodenbelag, der gut mit der starken Seekiefermaserung harmoniert, und eine bodenebene Dusche im Bad.

„Nichts findet Platz, weil es gerade da ist. Sondern weil es eben genau dorthin gehört.“

Auf was hast du bei der Einrichtung Wert gelegt?

Das Waldhäuschen ist bewusst sehr reduziert und überlegt eingerichtet. Zeitlose Gestaltung ist mir wichtig. Weiß dominiert im Raum und wird durch Schwarz als Akzentfarbe ergänzt. Edle Holztöne und Naturfarben finden sich ebenfalls wieder. Wunderbare Magazine (eine Schwäche von mir) dekorieren die Wand und werden von dem einen oder anderen Kunstwerk ergänzt. Nichts findet Platz, weil es gerade da ist. Sondern weil es eben genau dorthin gehört.

Sekretär Hilo
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„Das vorhandene Licht gekonnt zu nutzen, spielt aus meiner Sicht eine große Rolle.“

Auf was sollte man deiner Meinung nach generell bei der Gestaltung kleiner Räume achten?

Das vorhandene Licht gekonnt zu nutzen, spielt aus meiner Sicht eine große Rolle. Ebenso die gewünschten Materialien und Farben gut abzustimmen. Für mich braucht ein kleiner Raum Ruhe. Das schaffe ich durch größere, einheitliche Flächen und wenige, dafür gut platzierte Akzente. Ich habe im Entstehungsprozess sehr viel ausprobiert und mir wirklich Zeit gelassen, um Entscheidungen zu treffen. Das hat rückblickend geholfen, um zum Beispiel auch eine gute Balance von warmer Atmosphäre und moderner Ausstrahlung zu erreichen.

Was möchtest du noch alles am Haus machen?

Momentan arbeite ich noch überall im Haus, aber allen voran an der Fertigstellung des Badezimmers. Da fehlt noch Wärme und Gemütlichkeit. Dann wird es mittelfristig noch eine neue Außenfassade geben. Und dann geht es im nächsten Sommer mal an die Gestaltung der Veranda.

Wie oft hältst du dich momentan im Haus auf?

Ich fange gerade erst an, das Häuschen richtig zu nutzen. Die ersten Besucher haben schon dort genächtigt und ich nutze die Zeit momentan noch mit Ausbessern, Dekorieren und Gestalten. Ich plane aber bald auch Kreativ-Workshops mit Freunden dort. Im Winter werden das bestimmt sehr gemütliche Auszeiten!

Apropos Winter: Wie heizt ihr?

Wir nutzen einen Pelletofen, den ich nach Bedarf anmachen oder auf eine gewünschte Raumtemperatur einstellen kann. Zusätzlich gibt es im Bad eine elektrische Fußbodenheizung.

Nun wohnt ihr ja nicht permanent in eurem Waldhäuschen. Glaubst du, dass dir der Platz auch zum Leben reichen würde?

Definitiv ja. Ich habe alles Notwendige berücksichtigt, um das Haus alltäglich nutzen zu können. Man muss sich schon reduzieren können und wollen. Wer gerne mit dem Rucksack reist, bringt die besten Voraussetzungen mit :-)

Liebe Julia, vielen Dank für das schöne und spannende Interview auf kleinem Raum!

Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @Miss_Yooli hier folgen!

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