„Meine Traumvorstellung wäre es, die Hälfte des Jahres in Brasilien zu leben.“ – Zu Besuch bei oversea_design bei Limburg

von Sebastian

„Brasilien ist ein sehr buntes Land“, schwärmt die gebürtige Brasilianerin Milena (39) aka @oversea_design , die mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Jungs im rheinland-pfälzischen Fachingen lebt. Im farbenfrohen Interior des 280 qm großen Hauses aus den 60er-Jahren spiegeln sich für Milena auch die brasilianischen Einflüsse wider: „Die Farbakzente, die es überall bei mir gibt, erinnern mich sehr an meine Heimat“, erklärt die Architektin und öffnet uns die Tür zu ihrem warmen Wohlfühlzuhause im Bauhaus-Stil, das von Altem und Neuem, von Brasilien und Deutschland erzählt.

Ein Gespräch über die Liebe zum bunten Mix von Vintage-Stücken und Designklassikern, über lang ersehnte Neuanschaffungen, über den Unterschied zwischen deutschem und brasilianischem Wohnen und über den langen Weg „oversea“ vom südamerikanischen Santa Cruz do Sul über Hamburg aufs Land nach Rheinland-Pfalz.

Im Esszimmer gesellen sich orangefarbene Panton Chairs von Vitra, Vintage-Stühle sowie ein alter Turnkasten um den Tisch von Bauholz Design. Für Licht sorgen zwei Vintage-Industrieleuchten von Philips.

Liebe Milena, man sieht sofort, dass du gern Altes mit Neuem mischt …

Ja, das erzeugt eine individuelle und einzigartige Atmosphäre. Bei uns gibt es auch einige Gegenstände, die aus dem Sperrmüll gerettet und aufgearbeitet worden sind. Ich liebe es einfach, Möbel und Objekte mit Patina und zeitlose Designklassiker zu kombinieren. Und dazu immer frische Blumen – die dürfen nicht fehlen!

An der 200 Jahre alten Werkbank im Esszimmer hängt Milena besonders. Ihr Mann hat sie vor einigen Jahren aus einer Werkstatt gerettet und aufgearbeitet. „Ich habe selten ein Möbelstück gesehen, das so viel Charme und Charakter hat. Wenn die Werkbank sprechen könnte, hätte sie bestimmt ganz interessante Geschichten zu erzählen“, freut sich Milena.

Und was gefällt dir besonders an der Architektur des Hauses?

Der Grundriss. Der Wohn- und Essbereich ist durch große Öffnungen verbunden. Außerdem ist es für mich ein großer Luxus, bodentiefe Fenster und vier überdachte Terrassen zu haben. Und unseren Betonboden – den mag ich auch sehr.

Wohnzimmer

Was war euch beim Hauskauf wichtig?

Bevor wir unser Haus vor ungefähr neun Jahren gekauft haben, haben wir in Hamburg gelebt. Wir wollten unbedingt aufs Land ziehen. Unser Haus war ein Glückstreffer – das zweite, das wir uns damals angeschaut hatten. Für uns war es wichtig, ein Haus in der Nähe von meinen Schwiegereltern zu finden und Platz für Besuch zu haben, da meine Familie aus Brasilien regelmäßig zu uns kommt.

Ganz besonders gefällt der Familie, dass das Haus in einer ruhigen Lage liegt und von viel Natur umgeben ist.

„Ich liebe es einfach, Möbel und Objekte mit Patina und zeitlose Designklassiker zu kombinieren.“

Flur

Hast du in deinem Zuhause eigentlich Erinnerungsstücke aus Brasilien?

Ich habe ein paar persönliche Erinnerungsschätze von meinen Großeltern wie Bilder, Geschirr und Textilien. Ich bringe immer irgendwas mit, wenn ich nach Brasilien reise. Was ich sehr mag, sind handgewebte Accessoires wie Decken, Tischsets oder unsere heiß geliebte Hängematte.

Die Hängematte im Garten hat Milena aus Brasilien mitgebracht. Auf einer der vier überdachten Terrassen finden um den antiken Marmortisch Vintage-Stühle von Flötotto Platz.

Wie kam es, dass du von Brasilien nach Deutschland gezogen bist?

Ich bin in Brasilien geboren und aufgewachsen. Nach der Schule habe ich dort Architektur studiert und nebenbei als Model gearbeitet. Dadurch habe ich auch einige Länder bereist. Vor 13 Jahren bin in nach Deutschland gekommen, habe mich in das Land und in meinen Mann verliebt. Nach meiner Modelzeit habe ich in Hamburg als Architektin gearbeitet, bis ich in Mutterschutz gegangen bin und wir nach Rheinland-Pfalz gezogen sind.

Im Gästezimmer dient ein Bettsofa von IKEA als Schlafmöglichkeit. Die Poster darüber sind von Dear Sam, die Bettwäsche von Zucchi. Hocker, Schrank und Tisch sind vintage. Für den häufigen Besuch aus Brasilien ist auf jeden Fall Platz: Das zweietagige Haus verfügt über elf Zimmer und ist voll unterkellert.

Wo genau in Brasilien bist du aufgewachsen?

Ich komme aus dem Süden, genauer gesagt aus Santa Cruz do Sul. Die Stadt liegt in der Nähe von Uruguay und Argentinien. Santa Cruz hat ca. 100.000 Einwohner und wurde vor 150 Jahren von deutschen Einwanderern gegründet. Bis heute gibt es dort noch viele deutsche Einflüsse und Traditionen. Jedes Jahr feiern wir das Oktoberfest, mit deutscher Musik, Tracht, Bier und Streuselkuchen. Viele Menschen – besonders die älteren Generationen – sprechen besser deutsch als portugiesisch. Und das alles „mitten im Urwald“. Es ist wirklich was Besonders.

Milena ist bei ihren Eltern mit Bau- und DIY-Projekten groß geworden. Ihre Mama ist sehr kreativ und künstlerisch begabt, ihr Papa stand schon immer neben seinem eigentlichen Job auf der Baustelle. Aktuell ist Milena selbstständig und mit ihrer Firma Oversea Design in den Bereichen Design, Styling, Fotografie und Grafik tätig.

„Wir wollten unbedingt aufs Land ziehen.“

Fotoshooting in Athen und Editorial für „Marie Claire Brides“

Mit welchen Charaktereigenschaften würdest du dich selbst beschreiben?

Perfektionistin, loyal und leidenschaftlich.

Und welche Eigenschaften haben du und dein Zuhause gemeinsam?

Wir sind beide spontan, lebensfroh und ordentlich.

Milenas Büro: Hier verbringt sie viel Zeit, da sie von zu Hause arbeitet. Zuhause ist für sie somit nicht nur ein Ort für Entspannung und Familienleben, sondern auch ein Platz, um kreativ zu sein: „Das funktioniert bei mir ganz gut, wenn eine gewisse Ordnung herrscht und ich umgeben bin von Sachen, die ich liebe und wertschätze.“ Ein USM-Haller-Schreibtisch trifft hier auf die Tolomeo-Leuchte von Artemide. Ein antiker Schubladenschrank sorgt für Ordnung.

Auch im Kinderzimmer harmonieren neue und alte Möbel miteinander. Der selbst gebaute Schreibtisch besteht aus einer Baumarktplatte und MALM-Schubladenelementen von IKEA. Die Schulstühle und die Leuchte von Fritz Hansen sind vintage.

Auf deinem Interior-Wunschzettel steht aktuell eine neue Küche ganz weit oben. Warum?

Wir haben unsere Küche beim Hauskauf übernommen. Sie ist schon einige Jahre alt und entspricht nicht ganz unseren Vorstellungen.

Wie wird eure neue Küche aussehen?

Ich hätte ganz gerne eine Schrankwand, hinter der man einige Küchengeräte „verschwinden“ lassen kann. Vielleicht wird es auch eine Insel geben, mit einer Seite zum Kochen und einer zum Sitzen. Ich habe die Tage eine richtig schöne alte, kleine Werkbank bekommen, die ich gerne in die neue Küche integrieren würde. Außerdem möchte ich gerne etwas Cooles mit Licht machen. Alles in allem wird die Küche überwiegend maßgefertigt, wie ich es auch schon zu meinen brasilianischen Zeiten gemacht habe.

Gutes Essen gehört auch zu Milenas Leidenschaften. Ihr Community-Kuchenrezept mit @imraum findet ihr hier.

Hast du noch andere Leidenschaften neben dem Einrichten?

Oh ja, ich fotografiere sehr gerne – mittlerweile auch beruflich. Außerdem interessiere ich mich sehr für Kunst und Essen und ich mache gerne Sport.

Welche drei Dinge wissen wir noch nicht über dich?
  1. Ich bin die älteste von drei Schwestern.
  2. Ich habe deutsche Vorfahren.
  3. Ich habe während meiner Schulzeit Theater gespielt.​​

Das Bett im Schlafzimmer hat Milena selbst entworfen und bauen lassen. Sessel und Kommode sind antik.

Kannst du dir eigentlich vorstellen, irgendwann wieder zurück nach Brasilien zu gehen?

Ich sage nicht ‚Nein‘. Meine Traumvorstellung wäre es, die eine Jahreshälfte in Brasilien und die andere in Deutschland zu leben. Wer weiß, vielleicht irgendwann, wenn meine Kinder groß sind …

Übernachtungstipp von Milena in Rio de Janeiro: Das Chez Georges ist eine modernistische Villa in Rios Künstlerviertel Santa Teresa – Blick auf den Zuckerhut inklusive.

Worin besteht für dich der größte Unterschied zwischen deutschem und brasilianischem Wohnen?

Ich glaube, einer der größten Unterschiede bezieht sich auf die Sicherheit. In Brasilien sind die meisten Häuser mit hohen Zäunen gesichert. Aus diesem Grund wohnen in den Großstädten viele Menschen in Hochhäusern, die 24 Stunden am Tag bewacht werden. In den letzten Jahren haben sich auch die Condomínios etabliert: Das sind Wohnsiedlungen, die ebenfalls eingemauert sind, die einzelnen Grundstücke wiederum nicht, was ganz schön ist.

Fast so farbenfroh und schön wie in Brasilien: das Gartenhaus im rheinland-pfälzischen Fachingen

Und in Bezug auf die Inneneinrichtung?

Was die Inneneinrichtung angeht, werden in Brasilien viele Möbel maßgefertigt. Das liegt daran, dass die handwerkliche Arbeit sowie die Materialien noch relativ bezahlbar sind. Als ich früher als Innenarchitektin in Brasilien tätig war, habe ich viele Möbel entworfen und die Detailpläne anfangs sogar noch per Hand gezeichnet. Mittlerweile wird der Trend zu großen Möbelhäusern stärker und das ändert natürlich einiges.

Links: das Haus von Milenas Oma in Brasilien, rechts: das Interior in ihrem Elternhaus

Kannst du uns einen brasilianischen Architekten empfehlen?

Ich mag die Architektur von Marcio Kogan (Studio MK27) sehr. Seine Projekte legen Wert auf einfache Formen und die Liebe zum Detail. Er verwendet viele Naturmaterialien wie Holz, Steine oder Stroh und schafft somit eine gute Symbiose mit der biologischen Umgebung.

Casa na Areia von Marcio Kogan (Studio MK27)

Liebe Milena, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!

Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @oversea_design hier folgen.

Zu allen Homestorys geht’s hier entlang.

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